Elsbeth Arlt
 

Leseprobe

Realität in den Regalen: Fußnote, Vermerk, Widmung

Elsbeth Arlt
»Daten und Details«


Silke Radenhausen
»Elsbeth Arlts Textlandschaften«


Publikationen

Elsbeth Arlt  |  Daten und Details


Wie ein überdimensionierter Schuhkarton lagert die Volkswagen Universitätsbibliothek im städtebaulichen Hinterhof am Bahnhof Zoo, zwischen Herzallee, Fasanenstraße und Landwehrkanal. 18 Jahre wurde geplant, zwei Jahre gebaut (Architekten: Lothar Jeromin, Walter A. Noebel). Man spricht von Reurbanisierung. (1) Als wir Künstler am 11. August 2004 auf Einladung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zum Einführungskolloquium erscheinen, ist die Bibliothek der Technischen Universität und der Universität der Künste bereits übergeben. Es wird in allen Geschossen eingeräumt. Der Betrieb kann bald beginnen, die Eröffnung ist geplant ohne die Kunst am Bau. Ein Miteinander von Architektur und Kunst ist unter solchen Bedingungen nicht angesagt. Dem Architekten bleibt die Architektur, den Künstlern die Kunst. Sie haben den architektonischen Vorgaben zu folgen. Es gilt, sich in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum auf die Gegebenheiten einzustellen. Zugleich aber soll die Kunst sich so mit dem Ort verbinden, dass der Eindruck entsteht, sie sei von Anfang an planerischer Bestandteil.

Die Architektur zeigt sich standhaft. Da wird nicht dran gerüttelt. Es herrschen Gradlinigkeit und rechte Winkel. Etliche Regalkilometer warten auf die Buchaufstellung. Hier kehrt Ordnung ein. Als Ort für die Kunst legt man uns drei gleichförmig aufeinanderfolgende Lichthöfe nahe. In Abwechslung mit den dazwischenliegenden Treppenaufgängen bilden diese eine Art hohlen Kern der Architektur. Um die Lichthöfe herum findet das bibliothekarische Leben statt. Die Lichthöfe selbst sind leer, sie öffnen sich vom Erdgeschoß über vier Obergeschosse bis ins Dach. Manch einem schwindelt’s, wenn er in die Tiefe schaut. Auffällig gestalterische Elemente sind die Baumaterialien und deren reduzierte Farbigkeit: moosgrünes Linoleum, Sichtbeton und Edelstahl. Diverse Leitungs- und Rohrsysteme sind sichtbar. Funktionell. Betonkernaktivierung. Haus und Datentechnik. Schließlich gehören vier Etagen der TU. Oben, im 4. Obergeschoss, hat die Bibliothek der UDK ihr Obdach gefunden. Interdisziplinär. […]

(1) Elsbeth Arlt: Manche leuchten, wenn man sie liest, Stadtgalerie Kiel, 2003

aus: Elsbeth Arlt, »Realität in den Regalen: Fußnote, Vermerk, Widmung«. Hrsg. v. der Universität der Künste Berlin und Elsbeth Arlt, Berlin 2005,
S. 29–30